09 März 2006

Die Qual der Wahl

Linux Systeme zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass der Benutzer, in der Regel, sehr viel Entscheidungsfreiheit hat, wie er sein System einrichten möchte. Dies ist für erfahrene Anwender ein Segen, aber kann für (Linux-)Neulinge ein Fluch sein.
Am gravierensten trifft dies auf die Installation zu. Eine Windows Installation läuft immer nach dem selben Schema ab, der Benutzer muss kaum Angaben machen und nach 30 bis 60 Minuten hat er ein Standard-System, welches noch angepasst werden muss. Dann folgt der schwierigere Teil des Treiber nachinstallierens und dann läuft das System in der Regel ziemlich bald. Bei Linux-Installationen sieht das etwas anders aus. Muss man sich bei Windows lediglich um das Laufwerk kümmern auf das es installiert werden soll, wird man von Linux-Setup-Programmen aufgefordert eine Festplattenpartitionierung durchzuführen. Bei einem nackten Rechner ist das ja kein großer Akt, aber wenn sich bereits ein Betriebssystem auf dem Rechner befindet, ist es selbst für erfahrene Anwender ein sehr verwirrendes und gefährliches Unternehmen und so manche Windows-Installation verabschieded sich, wenn man hier etwas falsch macht.
Die Softwareauswahl, die bei Windows dabei ist, beschränkt sich auf wenige Standard-Programme, wie z.B. MSPaint. Hier bieten Linux-Distributionen eine sehr viel größere Auswahl, weil eine Distribution nicht nur das Kern-System enthält, sondern sehr viel optionale Software, die in der Regel zu Paketen zusammengefasst ist. Diese Pakete sind in komplexer Weise voneinander abhängig und diese Abhängigkeit wird normalerweise beim Aus bzw. Abwählen berücksichtigt. Eine Ausnahme bildet hier LFS (Linux from Scratch) welches für Normalanwender denkbar ungeeignet ist, da man das komplette System selbst baut und auch selber die Abhängigkeiten kennen muss. Diese Zusatzsoftware ist natürlich auch der Grund, warum Linux-Distributionen auf mehreren CDs bzw. auf einer DVD ausgeliefert werden.
Bei Linux hat man die Wahl, ob man eine Desktop-Installation haben möchte oder nicht. Das bedeutet, das Linux auch ohne eine grafische Oberfläche arbeiten kann (im Server-Bereich ist das, neben dem Preis, der größte Vorteil gegenüber Windows), was aber für Umsteiger völlig uninteressant ist. Viel interessanter und für Windows-Umsteiger sehr ungewöhnlich, ist die Tatsache, dass die Oberfläche zum einen als "normales" Programm angesehen wird und das man sich seine Oberfläche selber aussuchen kann. Für Umsteiger sind sowohl Gnome, als auch KDE interessant, und viele Distributionen installieren beide standardmäßig, damit man als Benutzer die Wahl nach seinem persönlichen Geschmack treffen kann. Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, wenn man sich für eine entschieden hat, zumindest die Kernbibliotheken der anderen zu haben, damit gewisse Programme, die für eine von beiden konzipiert wurden, auf beiden lauffähig sind (Beispiel: Gimp unter KDE).
Ein Windows-Desktop sieht immer gleich aus. Zumindest seit XP kann man zwischen dem klassischen und dem bunten XP-Stil wählen. Alle grafischen Oberflächen, die Linux bietet sind äußerst anpassungsfähig, was das Design und sogar die Verteilung der Fenster-Steuerelemente angeht. Man kann das Desktop sogar so einstellen, dass es genauso aussieht, wie Windows oder eben, so wie man es gerne hätte, die Möglichkeiten sind fast grenzenlos. Das hat natürlich zur Folge, dass viele Linux-Desktops derart unterschiedlich sind, dass ein Windows-User kaum oder garnicht damit zurecht kommt. Mit Linspire wurde allerdings eine kostengünstige Distribution geschaffen, die sehr nah ans Windows-Layout angelehnt ist und für Umsteiger gedacht ist.
Die Distribution mit der größten Wahlmöglichkeit (und somit der kompliziertesten Installation) ist Gentoo-Linux. Es ist nach LFS die komplizierteste Art Linux zu betreiben, aber auch die interessanteste. Bei Gentoo wird das komplette System aus dem Quelltext übersetzt, wie bei LFS, aber es enthält auch Paketabhängigkeiten, wie andere Distributionen. Für die Installation sollte man allerdings ein paar Tage einplanen, da manche Dinge sehr lange kompiliert werden müssen.
Als Letztes möchte ich mich in diesem Artikel mit dem Kernel beschäftigen. Der Kernel ist das Herzstück eines jeden Linux-Systems. Er ist die einzige Instanz, die direkt mit der Hardware kommuniziert und über ihn läuft im System einfach alles. Er ist nicht nur der wichtigste Teil des Systems, sondern auch der anpassungsfähigste. Hardwaretreiber können entweder direkt in den Kernel kompiliert werden oder als sogenannte Module während des Betriebes dynamisch eingefügt werden. Was man fest integriert und was man als Modul kompiliert hängt vom persönlichen Geschmack ab, aber es ist ratsam viele Dinge als Modul zu kompilieren, weil der Kernel selbst kleiner bleibt und die Module bei Bedarf eingesetzt oder entfernt werden können. Die Module kann man mit den Hardware-Treibern von Windows vergleichen, wobei man bei Windows nicht die Möglichkeit hat sie in den Systemkern fest zu integrieren. Hardware-Treiber, die für Linux direkt vom Hersteller kommen werden als Kernel-Module geliefert und deren Installation ist nicht immer ganz leicht.
Viele Distributionen benutzen vorkompilierte Standard-Kernel, die den Großteil der Hardware abdecken und in der Regel für viele Leute ausreichend sind. Allerdings kann man mit einem spezialisierten Kernel sehr viel Systemleistung herausholen, die normalerweise nicht verfügbar wäre. Aber einen eigenen Kernel einzurichten ist für Laien der schwierigste Prozess, mit dem er sich bei Linux herumschlagen kann (aber heute nicht mehr muss).
Zusammenfassend kann man sagen, das ein Linux-Benutzer viel mehr Wahlfreiheit hat, als ein Windows-Benutzer, deswegen allerdings auch mit einer viel komplizierteren Installation rechnen muss. Man kann grob sagen, je mehr Wahlfreiheit besteht, desto komplizierter ist die Installation. Microsoft sammelt also unter anderem deswegen soviele Pluspunkte, weil sie ihre Kunden kaum entscheiden lassen, wie ihr Computer denn nun aussehen oder sich verhalten soll.

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